Angst frisst Profite!

Warum „psychologische Sicherheit“ entscheidend ist für den Erfolg Deines Unternehmens

Beschleicht Dich manchmal auch das Gefühl, dass Deine Mitarbeitenden speziell Deine Teams trotz des investierten Aufwands in moderne, ansprechende Arbeitsplätze mit abwechslungsreichen Aufgabenstellungen nicht vollumfänglich leistungsfähig sind? Dann könnte die Ursache in der niedrigen psychologischen Sicherheit liegen, die Dein Unternehmen seinen Mitarbeitenden bietet!

Immer wieder stoße ich als Berater auf Unternehmenskulturen der Vorsicht und Zurückhaltung – bis hin zu offensichtlicher Angst der Mitarbeitenden voreinander und gegenüber ihren Führungskräften „Klartext“ zu reden und offen anzusprechen, was nicht passt bzw. funktioniert.

Dabei muss es nicht einmal an Dir und Deinem Führungsverhalten liegen, dass sich nichts im Sinne der Vision, Mission und Strategie in der Organisation zu bewegen scheint. Vielleicht bist Du erst zwei Jahre an Bord und noch stets voll Elan und Optimismus, doch das passive Verhalten in der Belegschaft gegenüber Deinem Vorhaben und Deinen Initiativen ist geprägt von Erfahrungen, die womöglich vor Jahrzehnten gemacht worden sind! Diese Traumata, diese Konditionierungen des Verhaltes sind den Beteiligten zunächst vollkommen unbewusst – so unbewusst, dass alle nach „vorne raus“ fröhliches Management- und Changetheater spielen, doch hinter den Kulissen brodelt es gewaltig…

Und so eine negative Konditionierung entsteht schneller und ist nachhaltiger als Du vielleicht annehmen magst. Die empirische Sozial- und Verhaltensforschung liefert uns dafür ein sehr anschauliches Experiment, dass ich Dir an dieser Stelle schildern möchte:

Ziel dieses Experiments war es, herauszufinden, wie schnell sich eine Erfahrung zur Tradition bzw. zu einem Dogma mit Tabu wandeln und entwickeln kann. Hauptpersonen in diesem Experiment waren sechs junge, männliche Schimpansen, die in einem speziell für sie und dieses Experiment hergerichteten Käfig gehalten wurden. Teil dieses Käfigs war neben den Ruhe- und Schlafräumen ein zentraler Bereich, in dem die Schimpansen sich ausschließlich während des Tages aufhielten. Zur Nacht wurden sie dann immer in die Ruheräume gebracht. Dieser Raum war mit allem eingerichtet, was so zu einem richtigen Affenkäfig gehört. Für das Experiment wichtigster Bestandteil aber war eine Kletterstange, die senkrecht in der Mitte des Raumes stand und fünf Meter hoch an die Decke reichte.

Nun beginnt das eigentliche Experiment. Eines Morgens kamen die sechs Schimpansen aus dem Ruhebereich in den zuvor präparierten Tagesraum, in dem über Nacht am obersten Ende der Kletterstange eine Bananenstaube befestigt worden war. Nach nur wenigen Sekunden der Orientierung hatten die Affen die Bananen entdeckt und das Alpha-Männchen der Gruppe machte sich freudig auf den Weg nach oben, um diese Bananen zu pflücken. Affen lieben halt Bananen!
Die Forscher jedoch hatten an der Decke des Raumes, von den Bananen verdeckt eine Wasserdüse angebracht. Und kurz bevor der Alpha-Schimpanse die Bananen greifen konnte hieß es: Wasser Marsch!

Der Schimpanse bekam eine volle Ladung kalten Wassers über seinen Pelz und rutschte pudelnass die Stange herunter – ohne Bananen. Unten angekommen schüttelte er sein Fell aus und unter enormen Gezeter und Geschrei analysierte die Gruppe das eben Erlebte. Es dauert eine ganze Weile bis sie zur Ruhe kamen. Affen lieben Bananen und hassen kaltes Wasser! Was glaubst Du passierte weiter an diesem Tag? Wie viele Versuche unternahm die Gruppe noch, um an die Bananen zu kommen? Richtig – vermutlich liegst Du falsch! Die Schimpansen unternahmen keinen weiteren Versuch. Das kalte Wasser hatte offensichtlich Eindruck gemacht. Und am nächsten Tag? Die Bananen waren frisch und wieder am oberen Ende der Kletterstange platziert. Ja, du ahnst es schon – es wurden auch am Folgetag keine Versuche unternommen, an die Bananen zu kommen. Der Schock saß tief. Kurz, auch an kommenden zehn Tagen ignorierten die Schimpansen die Bananen und die Kletterstange.

Nun begannen die Forscher mit dem zweiten Teil des Experiments. Nach nun rund zwei Wochen in denen die Schimpansen die Bananen vollständig ignoriert hatten, tauschten sie zwei der sechs Schimpansen aus. Quizfrage: Und jetzt? Wie verhielten sich die neuen Bewohner, als sie in die Gruppe kamen und die frischen Bananen erblickten? Mal ehrlich, hast Du angenommen, dass auch die neuen Bewohner von Beginn an die Bananen ignorieren und absolut keine Anstalten machen, diese zu pflücken? Irgendwie wurde ihnen scheinbar mitgeteilt: Bananen nix gut – Finger weg, sonst kaltes Wasser! Oder so ähnlich zumindest.

In der Fortsetzung des Experiments wurden sukzessive alle Schimpansen ausgetauscht, die das Ursprungsgeschehen persönlich erlebt hatten. Keiner der Neuen machte auch nur den kleinsten Versuch, die Bananen (übrigens jeden Tag frische!) zu pflücken. Die Bananen waren schlicht tabu. Auch nachdem das Erlebte „Generationen“ zurücklag und dutzende von Schimpansen an dem Experiment teilgenommen hatten, kam es nie wieder in diesem Käfig zu einem Versuch, die Bananen von der Decke zu pflücken.

So weit, so gut. Wenn ich dann aber darüber nachdenke, wie viele Traditionen, Dogmen und Tabus wir so unbewusst mit uns durchs Leben tragen und von welchen Früchten der Erkenntnis und Chancen der Entwicklung mich diese fernhalten – mir läuft ein Schauer den Rücken runter und mir werden die Knie weich…

Zwischen den Jahren habe ich das Buch “Die angstfreie Organisation“ von Amy Edmondson in die Finger bekommen und darin einiges zu diesem Phänomen gelesen. Amy Edmondson arbeitet als Professorin für Führung an der Harvard Business School und verfasste dieses Werk über die Relevanz psychologischer Sicherheit für den Erfolg. In “The Fearless Organization: Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation and Growth” betrachtet sie psychische Sicherheit am Arbeitsplatz als “das Wissen, dass man nicht bestraft oder gedemütigt wird, wenn man selbstbewusst Äußerungen zu Fragen, Kommentaren, Bedenken oder Fehlern abgibt”.

Wie effektiv psychologische Sicherheit in der Praxis ist, hat bereits vor einigen Jahren das Projekt „Aristotle” von Google gezeigt.

https://rework.withgoogle.com/

In dieser umfangreichen, langfristigen Studie über die Merkmale effizienter Teams und die Qualität der Zusammenarbeit. Die Entdeckung, wie stark Vertrauen und Transparenz die Qualität der Zusammenarbeit in einem Team beeinflusst, waren im ersten Moment überraschend. In hochmotivierten und leistungsstarken Teams empfinden Mitarbeitende ein Gefühl der Kompetenz und Zuversicht anstatt Verzweiflung und Angst.

Auch die Organisation „Great Place To Work“ kommt zu dem Schluss, dass Teams, die in einem Umfeld mit hoher psychologischer Sicherheit arbeiten, in der Lage sind, einen um ein Zehnfaches höheren Erfolg zu erzielen, als der Durchschnitt – motiviert hauptsächlich durch monetäre Belohnungen oder Prämien. Was bedeutet das für Dich? Wenn Du effektive Zusammenarbeit in Deinen Teams aufbauen möchtest, dann schaffe ein Arbeitsumfeld, in dem es für Mitarbeitende selbstverständlich ist, Fragen zu stellen, Ideen zu kreieren und Bedenken zu äußern – das ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen bei Fehlern oder Fehlverhalten.

„Für Jobs, bei denen Lernen oder Zusammenarbeit für den Erfolg erforderlich ist, ist Angst kein effektiver Motivator.“ – „Hierarchie, oder genauer gesagt die Angst, die sie erzeugt, wenn sie nicht gut gehandhabt wird, reduziert die psychologische Sicherheit.“
Amy Edmondson

Doch was kannst Du tun, um eine psychologisch sichere Arbeitsumgebung zu schaffen? Hier einige Ideen dazu aus meinen Transformationsprojekten…

Fünf Tipps für den Aufbau eines psychologisch sicheren Arbeitsplatzes

  1. Vertrauen schenken: Vertrauen ist die Erwartung, nicht durch das Handeln anderer benachteiligt zu werden; als solches stellt es die unverzichtbare Grundlage jeder Kooperation dar.
  2. Verletzlichkeit zeigen: Verletzlichkeit beschreibe ich als einen Zustand, in dem ich mich öffne und einen anderen Menschen tief in meine Seele blicken lasse und dabei von anderen Menschen entweder verletzt oder angenommen und positiv überrascht werden kann. Es ist die Voraussetzung dafür, dass Aufgaben nicht nur abgearbeitet werden, sondern dass kreative und innovative Lösungen entwickelt werden können.
  3. Verantwortung übernehmen: Das Übernehmen von echter, empfundener Verantwortung erfolgt über Klarheit und Kompetenz. Mitarbeitende haben eine Antwort auf die Frage nach dem „Why“ (Simon Sinek) und haben Klarheit über den Purpose, die Ziele ihrer Mission und sind mit ausreichend Kompetenz ausgestattet, die Mission zum Erfolg zu führen.
  4. Stärke die Kommunikation: Beginne damit, Deine Mitarbeitenden aller Bereiche und Ebenen regelmäßig um Feedback zu bitten. So signalisierst Du Wertschätzung für die Erfahrung und das Wissen Deiner Mitarbeitenden. Ebenso wichtig ist es, diejenigen zu unterstützen und zu respektieren, die schnell und entschlossen wohlkalkulierte Risiken eingehen. Damit zeigst Du Deinen Mitarbeitenden, dass Du Wert auf eine kalkulierbare Risikobereitschaft legst, die wiederum Voraussetzung ist für Innovationen. Weiter sorge für eine positive Atmosphäre im Unternehmen: In Meetings, in Emailnachrichten und wo immer es auch sonst notwendig sein sollte, fange negative Bemerkungen ab und setze freundlich aber bestimmt positive Formulierungen dagegen.
  5. Fördere das Buttom-Up Feedback: Eine einseitige Feedback-Kommunikation ist längst veraltet. Statt eines verwirrenden Organigramms, das es den Mitarbeitenden erschwert, von ihren Vorgesetzten gesehen und gehört zu werden, solltest Du flache Prinzipien anwenden, die eine offene und schnelle Kommunikation ermöglichen. Dadurch fühlen sich die Mitarbeitenden in der Lage, kreativer und selbstbewusster zu sein und eine direkte Anerkennung für ihre erfolgversprechenden Ideen zu erhalten. Sie werden es auch eher wagen, Feedback zu geben, wenn sie sich geschätzt, sicher und geborgen fühlen.

Fazit Du, Deine Führungskräfte, und auch jedes einzelne Teammitglied, können dazu beitragen, Offenheit für Verletzlichkeit, Vertrauen und Verantwortung zu fördern. Die Veränderung manchmal nur kleiner Details kann eine großartige Wirkung erzeugen, die sich letztlich auch in Deiner Bilanz niederschlagen wird.

Welche Erfahrungen hast Du in der Vergangenheit in Bezug auf die „psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz“ gesammelt?