QUER- und „Out-Of-The-Box“-Denken oder doch zumindest einfach mal kreativ und spontan über den „Tellerrand“ gucken! Hast auch Du schon einmal den einen oder anderen dieser absurden Appelle zu hören bekommen oder vielleicht auch schon einmal selbst genutzt? Erinnerst Du Dich noch daran, was es gebracht hat? Vermutlich nichts!
In meinen Beratungsprojekten und Workshops rund um agile und digitale Transformationsprozesse stehe ich immer wieder vor der Herausforderung, gemeinsam mit Auftraggebern und Teilnehmern den Raum für kniffelige „Lösungen“ zu schaffen, ohne dabei das sogenannte „Not Invented Here“-Syndrom* zu stimulieren und eine Autoimmunreaktion des Klientensystems in Gang zu setzen. Gerade in agilen und digitalen Transformationsprozessen kommt es immer wieder zu Abwehrreaktionen und Widerständen. Gerne erzähle ich dann eine alte Sufi-Geschichte*, mit der ich einen Zugang zum „Lösungsraum“ anbiete.
Hier dazu die „Kurzfassung“:
Es begab sich, dass ein Sufi auf seinem Kamel nach Mekka ritt. Unterwegs begegnete ihm eine kleine Herde von Kamelen geführt von drei jungen Männern, die niedergeschlagen auf die Erde starrten. „Was ist mit euch?“, fragte der Sufi, „warum seid ihr so traurig?“ „Ach, unser Vater ist gestorben“, entgegnete der älteste der drei. „Allah möge ihn segnen“, sagte der Sufi, „das tut mir leid für euch. Aber er wird euch doch bestimmt etwas hinterlassen haben?“ – „Das ist es ja“, antwortete der zweite, „unser Vater hinterließ uns diese siebzehn Kamele. Das ist alles was er hatte.“ – „Siebzehn Kamele? Das ist nicht wenig! Da braucht ihr doch nicht so trübsinnig zu sein!“ – „Wir haben damit aber ein Problem“, sagte der älteste. „Denn unser Vater hat verfügt, dass ich als ältester die Hälfte des Erbes bekomme, mein jüngerer Bruder ein Drittel und der jüngste von uns ein Neuntel. Nun haben wir schon alles versucht, die Kamele aufzuteilen, aber es geht einfach nicht. Wir können sie ja nicht einfach schlachten und in der Mitte durchschneiden!“
Der Sufi überlegte für einen kurzen Augenblick und sagte mit freudiger Mine: „Ich weiß, wie ich euch helfen kann. Nehmt einfach für den Augenblick mein Kamel mit hinzu und lasst uns sehen, was geschieht.“ Jetzt waren es achtzehn Kamele. Die Hälfte davon, also neun, bekam der älteste und neun Tiere blieben übrig. Ein Drittel von achtzehn sollte der mittlere der Brüder bekommen. An ihn gingen somit sechs Kamele. Jetzt blieben noch drei Kamele übrig. Ein Neuntel des Erbes war für den jüngsten Sohn, das waren zwei Kamele. Zum Schluss blieb ein Kamel übrig. Das nahm sich der Sufi, stieg wieder auf und ritt weiter gen Mekka, den Brüdern zum Abschied winkend.
Diese kleine Sufi-Geschichte zeigt, wie „Querdenken“ funktionieren kann. In einem Change Projekt verstehe ich mich selbst als ein Teil eines komplexen Systems. Auf die Sufi-Geschichte bezogen meine ich damit, wir alle im Raum sind Teil eines Systems, in dem es einen „sterbenden Vater“, ein „Vermächtnis“, ein „Regelwerk (Testament)“, „drei Söhne“, „17 Kamele“, einen „Sufi mit Kamel“, ein „Ringen um Lösungen“ und „einander sich mögende Anteile (Brüder)“ gibt.
Selbst glaube ich fest daran, dass alles bereits in einem System vorhanden ist, was das System für eine Lösung braucht. Für alle „Probleme“ stehen Lösungen zur Verfügung. Üblicherweise finden wir auch sofort die für uns “passenden” Lösungen. Doch manchmal ist uns dies nicht so leicht möglich – der Lösungsraum erschließt sich nicht! Vielleicht weil ein Lösungsansatz durch Sand verdeckt ist (Traditionen – „Das haben wir hier schon immer so gemacht!“) oder aber die Gefahr und der Druck von außen unsere Kreativität lähmt (Verlust der kognitiven Balance). Wir verlieren den Zugang zu unserer Intuition, unserem Herzen und beginnen, auf bewährte, vertraute Lösungsansätze aus der Vergangenheit zu bauen. Oder auch gerne genommen – eine Verdopplung des Aufwandes bei gleicher, in die falsche Richtung führender Strategie. Die Komplexität* der Problemsituation überfordert uns und macht uns blind für die möglichen Schwierigkeiten, die erst durch unseren Aktionismus entstehen werden.
In solchen Momenten benötigen wir eine Art Katalysator, eine Intervention, die uns in “Bewegung” bringt und über den „Tellerrand“ blicken und die „Box“ wahrnehmen lässt, in der wir sitzen. Wir benötigen ein 18. Kamel, das ein Fremder, ein Außenstehender in das System einbringt.
„Wer in der Flasche sitzt, kann das Etikett nicht lesen!“
HansJörg Schumacher
Als Unternehmerberater und Sparringspartner ist es mir bewusst, dass ein System nicht sehen kann, was ein System nicht sehen kann. Wir alle haben einen „Blinden Fleck“* – und wir alle benötigen einfühlsame, wertschätzende Reflektion und Feedback, um die hinter diesem „Blinden Fleck“ liegenden Schätze / Ressourcen / Lösungsräume entdecken und nutzbar machen zu können. In meiner Rolle als Sparringspartner unterstütze ich Dich dabei gezielt mit geeigneten Interventionen. Der Kern meiner Arbeit besteht darin, Dir (und Deinem Team) – sei es in Einzelsitzungen oder in Workshops – Wertschätzung, Achtsamkeit und Respekt entgegenzubringen, Dich in Deiner Eigenverantwortung zu stärken und Dir in diesem Prozess, wo es innerlich um das Aufteilen der 17 Kamele geht, “mein Kamel” an die Seite zu stellen.
Mir macht es einen riesigen Spaß und viel Freude, “Das 18. Kamel” zu sein.
Bist Du neugierig geworden und möchtest es einmal erleben,
wie es ist, einem Kamel auf zwei Beinen zu begegnen,
dass Dich aus der “Wüste des Problems” in die “Oase der Lösung” begleitet?
* Das Not-invented-here-Syndrom beschreibt abwertend die Nichtbeachtung von bereits existierendem Wissen durch Unternehmen, Institutionen oder auch Individuen aufgrund des Entstehungsortes.
* Sufismus oder Sufitum ist eine Sammelbezeichnung für Strömungen im Islam, die asketische Tendenzen und eine spirituelle Orientierung aufweisen, die oft mit dem Wort Mystik bezeichnet wird. Einen Anhänger des Sufismus nennt man Sufist, einen Ausübenden Sufi oder Derwisch.
* „Komplexität“ – zum tieferen Verständnis:
Das Cynefin-Modell https://www.youtube.com/watch?v=Gv0Fo6fKoCk&t=38s
* „Blinder Fleck“ bezeichnet in der Sozialpsychologie die Teile des Selbst oder Ichs, die von einer Persönlichkeit selbst nicht wahrgenommen werden können. Niklas Luhmann erweitert dies auf ein Grundprinzip aller sozialen Systeme – also auch auf Teams und Organisationen!
Siehe auch „Das JoHari-Fenster“ https://www.youtube.com/watch?v=E5a9OzPWOs0